Sachsen, Frühjahr 1998: Eine Listenwahl quasi nach einem vorherigen Kurz-Check durch die Parteien. Ich stellte mich vor, hatte eine Karriere hinter mir, besetzte außerdem gleichzeitig die offenen Quoten für Jugendlichkeit (unter 40) und Frauen (ganztags). Ich war engagiert und ich hatte Ambitionen, wollte bewegen, wollte quer denken.

Bis Mitte September 2003 bin ich Mitglied in diesem noblen Sachverständigenrat der Landesanstalt für Neue Medien und Privaten Rundfunk in Sachsen, SLM, und bin es immer wieder gerne. Hier haben meine politischen Grundsätze kein Prä. Ich muss meine Haltung offen legen, ich muss für meine Ideen werben, ich muss im Zweifelsfalle aushandeln. Interessen gegen Interessen.

Und das geht. Immer wieder Bereitschaft zur Einsicht, zum Mitgehen, zum Variieren. Das Gremium aus 5 Sachverständigen amtiert bis 2004 und versteht sich vor allem als Partner der privaten Medienwirtschaft. Der politische Basar in einem Bundesland, in dem die Grünen nicht im Landtag vorkommen. Kein Gegenüber für Medienpolitik außer denen, die auch Medienpolitik machen. Oder Medien. Einsamer Posten. Viel Freiheit, viel Verantwortung. Dinge können ganz schön schief gehen.

Nach meinem Umzug an den Rhein: Ich bleib dabei,erstmal. Halte dieses Ehrenamt. Bin jetzt sehr viel stärker angewiesen auf meine Kommunikationsnetze und die schon eingespielte Zusammenarbeit. Leider höre ich das Gras nicht wachsen in Sachsen. Ich bedarf der Unterstützung, der Information. Sie haben Fragen? Die fehlen mir manchmal. Sie haben Tipps? Immer her damit. Ich brauche Kommunikation und vor allem Vertrauen.

Sachsen, das Sonder-Rundfunk-Land: Mehr als 100 kommerzielle Veranstalter, mehr als jedes andere Bundesland. Vom Hochzeitsfotografen bis zum Verein im Plattenbau. Kleinst- und Kleinunternehmen leben von und mit Rundfunk. DDR-Effekt, auch in anderen neuen Ländern vorhanden, aber nirgendwo so intensiv. Das Erzgebirge oft genug eine Art Medienkriegsgebiet. Goldgräberzeiten, die nie golden waren und die zu Ende gehen.

Daneben und hauptsächlich die regionalen und lokalen Privaten, Radio PSR, Antenne Sachsen, oldie.fm, Energy und SLP. Unternehmer und Radiofans, die trotz starker Deregulierung nicht gegen den Trend ankommen. Werbe-Einnahmen? Das nationale Thema bricht sich auch hier. Partnerschafts-Ideen?

Mein Herz schlägt nicht für Lach- und Sachgeschichten, mit Verlaub. Sondern für nichtkommerziellen Lokalfunk, für die Idee von Freiheit und Selbstorganisation. Äther als demokratisches Gut, nicht nur als Wirtschaftsfaktor. Sachsen in einer Sonderrolle: schweigt sich zum Thema NKL im Rundfunkstaatsvertrag aus. Kaum eine legale Plattform für die engagierten Leute in den selbstorganisierten sächsischen Radios, in Leipzig Radio blau, in Dresden coloradio, in Chemnitz radio t. Atemlosigkeit bei Piratenintervention in Dresden, Aufbruchstimmung, Lobby-Arbeit, Emanzipation in den Radios. Durchhalten!

Wie wird eine Verlagsfrau zur Medienrätin? Zugegeben, fit im Bereich der Neuen Medien. Ja, den Studiengang Medientechnik an der HTWK in Leipzig maßgeblich mitbegründet und geleitet. Natürlich, dezidierte Meinungen zum Umgang dieser Gesellschaft mit Radio und Fernsehen, dezidierte Kenntnisse zum Suchtverhalten. Außerdem tiefes Interesse, wirtschaftliche Entwicklungen in der Medienlandschaft mitzugestalten und zu begleiten. Mein politischer Ansatz: mir geht es um Vielfalt, um Zugangsgerechtigkeit, um emanzipatorische Möglichkeiten. Mir geht es um Aufrichtigkeit und darum, Stellung zu beziehen. Das habe ich und das ist, im besten Sinne, genetisch kodiert.

Jetzt bin ich in Nordrhein-Westfalen, ungleich größer als Sachsen. Weniger Aufbruch, aber viel Professionalität. Viele Strippenzieher, viel Sachverstand – viel mehr Achtsamkeit nötig. Spannend.

Am 4. 7. 2003 Wahl in den Medienrat NRW: Ein ganz neues Gremium, für NRW und für mich auch. Nur der Name ist identisch mit dem sächsischen, ansonsten: Neuland.

Am 22. 4. 2004 Rücktritt aus dem Gremium. Warum? Einerseits wegen der grundsätzlichen Schieflage des Gremiums, das für das Medienland NRW zuständig sein soll, jedoch bei der Landesmedienanstalt aufgehängt ist – ein strukturelles Problem. Aber auch wegen der unklaren Aufgabe und entsprechenden Aufstellung des Gremiums: Geht es um wissenschaftliche Politikberatung? Eher nicht. Nach einem längeren Prozess, der Nerven und Geduld gekostet hat, verlasse ich das Gremium. Möge es erfolgreich weiterarbeiten! Ich kann dazu nicht beitragen.