So weit, so gut: Redakteurin, Lektorin, Verlagsleiterin war ich gern, auch mit der unspezifischen Bezeichnung Managerin konnte ich mich sehen lassen. Aber etwas nagte an mir. Kam ich mir mit diesem Tun möglicherweise abhanden? Ich hatte das latente Gefühl von burn out, ohne genau zu wissen, was burn out ist. Hatte das und grübelte.

Ein tiefsitzendes Gefühl fehlender Erfüllung trotz großer Erfolge – gab es irgendwo im System eine Ursache? Mein Arbeiten war ohne Grenze, ausgeufert, getrieben, ohne Blick auf Uhr oder Überstunde. Irgendwann drückte das die leisen Fragen nicht mehr weg. Unruhe. Was tun? Das einzige, was ich kannte: Ich vergewisserte mich selbst, wissenschaftlich.

Fand Doktorvater und Thema: Das System der Konzerne und Zusammenschlüsse, das Konzept der Führung durch angestellte Unternehmer, durch Manager, wollte ich verstehen. Meinen eigenen Anteil am Funktionieren dieses Systems. Was tat ich? „Kommunikation in Konzernen. Führung und konstruktives Menschenbild.“ Reflektion gängiger Konzepte wie Unternehmenskultur und CI, Überprüfung auf Tragfähigkeit und Sinn. Langsam wurde ich wach.

Entwickelte ein Gespür für Gratwanderungen: Augenfällig schien mir diejenige zwischen freundlicher Ausbeutung auf hohem Niveau einerseits und der Möglichkeit, sorgfältig, fair und aufrichtig zu führen andererseits. Wo bitte war hier genau der Unterschied? Wie konnte ich dann was genau als Führungskraft realisieren?

An dieser Stelle verlor ich meine Naivität. Ich verstand, dass ich nicht Verantwortung übernehmen, gestalten kann und gleichzeitig meine Unschuld behalten. Hinschauen war gefordert und für mich einstehen. Bewusstheit schaffen, Transparenz schaffen, Klarheit. Manager sein heißt nie Opfer sein, immer Mittäter. Ich war verblüfft und hörte auf, meinen Heiligenschein täglich zu putzen.

Das hatte ich kapiert. Blieb die Frage: Wie in ein gutes Tun kommen, wenn das Hamsterrad sich mit Höchstgeschwindigkeit dreht? Wie rauskommen aus dem Tempo, das einen hinwegschwemmt, das den Atem nimmt, Familie, Kinder, Freunde vergessen lässt? Wie da heraus und nicht auf Mallorca Kartoffeln züchten? Und dann: Wie hineingeraten in das stille Auge des Taifuns?

Ich lernte den radikalen Konstruktivismus lieben und die Systemtheorie kennen. Feuer und Flamme. Das also war es: Seines Glückes Schmied sein! Der Durchbruch warf mich in eine fremde Welt. Eine Welt der Selbstorganisation, der Veränderungsunwilligkeit, der Verstörungen von außen. Eine Welt neuer Wörter. Autopoiesis. Selbstreferenz. So also ist das, wenn Wissen die Seele erreicht. Ich heulte eine Runde bei meinem Doktorvater Gerd Würzberg und krempelte die Ärmel hoch.

Die Arbeit wurde ein Buch, das wurde verkauft. Ich war erstaunt. Es erzählte viel von Bertelsmann, wenig von meinem Verstehen. Die Zeit hatte für mich nicht gereicht und dennoch. Ich hatte das Nötige geschrieben, das Wesentliche nahezu erschrocken für mich behalten. Es reichte für die Promotion zum Dr. phil. und auch für einige Einsichten mit Alltagstauglichkeit, für einige Klarheit und für einen größeren Horizont.

Kein Weg zurück. Ich verabschiedete ich mich aus dem Management.