Nach dem Abi hatte ich die Nachfolge von Siegfried Unseld vor Augen und studierte entsprechend. Verlagsdinge, wie ich dachte. Germanistik, Publizistik, Philosophie. M.A. in Münster. Ein sehr sehr schönes Studium, viel lesen, viel diskutieren, etwas politisch, etwas verrückt. Nicht von dieser Welt und nice to have. Mit Verlegerei hatte es rein gar nichts zu tun.

Damit fing ich dann an neben dem Studium. Als Ghostwriterin. Ich erfand zuerst die Abenteuer der Baufamilie Busch, dann einen Verlag für Architekten. Anschließend folgte ein wildes Lernen schwarzer Künste. Gewerkelt an Composer, Textsystem, Linotype, wissensdurstig, mehr mehr mehr. Nach dem Examen raus aus dem schönen Milieu ohne Sozialversicherung, der ernsthafte Sprung, schräg hinein in die Branche für ausstudierte kampferprobte gern schwer beschäftigte junge Frauen: Data Becker, Mohndruck, Bertelsmann Medien-Service. Düsseldorf, Gütersloh, Leipzig, Moskau.

Data Becker und Computerbücher der Einstieg. Commodore 64. Bearbeitungszeit pro Titel im Verlag: eine Woche. Druckzeit: eine Woche. Abverkauf von der Palette, neunundsechzig Mark für das CD-ROM-Listing zum C64. Aus der Goldgräberphase in ernsthafte Verlagsarbeit: Word 1 und die PCs erschienen am Horizont, aus zwei Leuten wurden sieben wurden vierzig, ich wurde technische Verlagsleiterin. Planung, Kalkulation, Druckpreise. Dann, mit 28, wollte ich Neues. Blick rundum – keine Chance bei Suhrkamp, in traditionellen Verlagen.

Von Thomas Middelhoff zu Mohndruck geholt. Team Verlage und Clubs: neue Strukturen, Überprüfung der Abläufe, Restrukturierungen. High potential, auch sehr schön. Spannende neue Felder. Der Konzern investiert in mich und ich nehme an Wissen, was irgend möglich. Organisations-Wissen, Systemdenken, Kennzahlen, Steuerungsmodelle, Führung, Körpersprache, Coaching, NLP. Ich lernte und ich wollte mehr. Mehr bewegen. Pioniersleben?

Bertelsmann Medien-Service: Umstruktierung der ehemaligen Zimex in Leipzig, Aufbau eines Vertriebsnetzes in Osteuropa. Büros, Infrastruktur und Vertriebsleute in den großen Städten, Moskau, Prag, Warschau. Kein Strategie-Job: Aufträge waren gefragt. Know-how-Transfer als Schlüssel. Abwicklung des russischen Schulbuchs. Die neuen Verleger des Ostens finden. Harte Währung finden, Bartern. Wunderbare Menschen, lange Nächte, Wodka, Partisanenpartys. Gorbatschow. Minister, die kommen und gehen. Kalt war’s draußen.

Wenn ich irgendwo Wurzeln habe, dann in der Druck- und Verlagsbranche. Genauer: in deren elektronischer Kinderzeit. Ich liebe das Buch an sich. Blei muss nicht sein, darf aber. Ich liebe Bücher, ihren Geruch, wie sie sich anfühlen. Die Glätte von Papier. Das Abenteuer des Aufklappens, wenn der Schnitt ganz zart bricht. Die Titelei. Der Sog hinein, das sich Verlieren in fremden Welten. Auch ein Bohlen schreckt mich nicht. Ich les ihn einfach nicht und schaue interessiert auf den Markt.

Alle in der Branche schimpfen, kritteln, ich auch. Das finde ich angenehm: einen Anspruch zu haben. Das Wort Ethik zu sagen und es für sich im Arbeitsalltag zu beanspruchen. Ethik wird hoch gehalten. Die eigene und die der Produkte. Manchmal. Oder doch nur der Anspruch? Oft auch das. Ergebnis dieser Ethik jedenfalls ist ein Qualitätsbegriff, der sich dem Markt zu verwehren scheint.

Qualität kümmert sich einen feuchten Kehricht um Zweckeignung, um Zielgruppe, meint hehre Qualität, meint Qualität an sich. Und oft genug war das gut so. Wer qualitative Kriterien nicht mit Kosten und Terminen koordiniert, der muss sich das schon erlauben können. Kaum einer kann oder will, zunehmend.

Der Prozess des Entstehens die eine Seite. Die andere: Wie aus Wertschätzung Wertschöpfung entsteht. Entstehen kann. Der einstmals beschauliche Markt mausert sich, wird weiter und wilder, rasante Umbrüche und Veränderungen. Ich mittendrin. Spannend.

Manchmal zwischendurch: Wie dieses Tempo überleben? Wie Lebensqualität in der Gegenwart spüren, nicht erst „später“? Etwas machte sich langsam breit. Es gab Ungereimtheiten.